Unsere Utopie liegt auf dem Zwiebelfeld

Text: Mathis Gilsbach | Titelbild: Nora Boiko und Laura Gerloff

„Die (in Österreich und Bayern auch der) Zwiebel (Allium cepa), auch Zwiebellauch, Bolle, Zipolle, Speisezwiebel, Küchenzwiebel, Gartenzwiebel, Sommerzwiebel, Hauszwiebel oder Gemeine Zwiebel genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Lauch.“ (Wikipedia)

Die Zwiebel kann jedoch auch Inspirationskraft entfalten. Ein Mensch aus dem Kollektiv sieht in der Zwiebel eine Metapher für jede:n von uns: Sie ist vielschichtig. „Total abgegriffen“, sagt eine andere Person und gähnt. Ein weiterer Kollektivling sieht in einem Zwiebelfeld das Abbild der Gesellschaft und die Zwiebelschichten bilden ein Symbol für die neuen Organisationsstrukturen bei sai.

Das Zwiebelfeld, welches die Schuld für das Philosophieren des Kollektivs trägt, liegt direkt hinter einem Seminarhaus in Sievershausen. Dort, in der ländlichen Region Hannovers, traf sich ein Teil des sai Kollektivs, um gemeinsam zu träumen, zu diskutieren und zu gestalten.


Die Utopie sie steht am Horizont.
Ich bewege mich zwei Schritte auf sie zu
und sie entfernt sich um zwei Schritte.
Ich mache weitere 10 Schritte
und sie entfernt sich um 10 Schritte.
Wofür ist sie also da, die Utopie?
Dafür ist sie da:
um zu gehen!“

Fernando Birri


Während des Kollektivtreffens gingen wir zwei Schritte auf die sai-Utopie zu und erkannten einen neuen Horizont. Mit Herz und Größenwahn bastelten wir an unseren Visionen, um dann ganz konkret zu werden und neue Strukturen für sai zu gestalten.

Aber erst mal zwei Schritte zurück auf Anfang. Inspiriert von Fernando Birris Gedanken der Utopie suchten wir individuell nach unseren Herzensthemen, sowohl in Bezug auf sai als auch für uns selbst. Inspiration bildete dabei die umliegende Natur, die Bäume mit ihren frühherbstlichen Kronen, das ziegelsteinerne Dorf, die Zwiebeln auf dem Feld.

Unsere Gedanken ließen wir in (audio)visuelle Skizzen, Texte und Audioaufnahmen fließen.

Audio von Laura Gerloff

Utopien haben oft den Beigeschmack der Träumerei, Fantasterei, des Unerreichbaren. Aber vielleicht sitzen wir hier dem Trugschluss auf, dass es darum gehe, ein Ziel zu erreichen. Wir suchen einen Moment, in dem sich die Utopie erfüllt und alles in einen perfekten Stillstand eintritt. Wenn alles erreicht ist, bleiben keine Ziele mehr. Was nun?

Das Gedicht von Fernando Birri erinnert uns daran, dass der Prozess wichtiger sein könnte als das Ziel. Die Utopie wird zum Motor der Vorstellungskraft. Mit jedem Schritt, den wir auf sie zugehen, entfernt sie sich und erweitert den Horizont dessen, was möglich erscheint.

Es liegt mehr Freude darin, konkret zu werden. Wir wollen aus den Träumen zur Tat schreiten und zwei Schritte in die richtige Richtung machen. Und so leben wir die Utopie, indem wir ihr folgen. Als dezentrales Kollektiv haben wir leider nicht so häufig die Gelegenheit dazu, uns zu sehen. Doch jedes Mal entsteht dabei ein Raum der Inspiration, ein Raum, der Freude weckt zu gestalten, zu diskutieren und neue Ideen in die Tat umzusetzen. Das beginnt bei simplen Momenten wie dem gemeinsamen Kochen oder Wikingerschach spielen und setzt sich fort in Workshops und Diskussionsrunden über spezifische Fragestellungen.

Welche Strukturen geben uns die Möglichkeiten, unsere Utopie bei sai weiter zu gehen? In diesem Sinne haben wir konkrete Ideen entwickelt, um uns besser zu strukturieren und neue Rollen geschaffen, mit denen wir uns als Kollektiv wohler fühlen (wollen). Dieser Prozess begann schon vor einigen Monaten mit einer Gruppe die unter dem Schlagwort #größenwahn Vorschläge dazu entwickelte, wie die sai Utopie ganz konkret aussehen kann.

Das Kollektivtreffen in Sievershausen war der Schlusspunkt dieses Prozesses. In langen Diskussionen und einer spätabendlichen Sitzung fanden wir Wege, um bessere Entscheidungen treffen zu können, Verantwortungen besser zu verteilen und mehr Transparenz herzustellen.

Mit dem Ende dieses Prozesses beginnt nun ein neuer spannender Abschnitt. Die neuen Konzepte dürfen sich jetzt zunächst dem Gesamtkollektiv vorstellen und sich dann in der Praxis bewähren. Und auch jetzt schon sind viele neue Aufgaben am Utopie-Horizont zu sehen. So wollen wir etwa ein umfassenderes Awareness Konzept entwickeln, unsere internen Weiterbildungen intensivieren und die gegenseitige Begleitung im Lektorat oder als Buddies verbessern.

Wir machen weitere 10 Schritte und die Utopie entfernt sich um 10 Schritte.
Und dabei ist jeder Schritt schon gelebte Utopie.


Unsere Utopie dreht sich um die Zukunft von sai. Was wollen wir sein und wie wollen wir sein. Dabei haben wir uns auch nochmal auf unsere Grundsätze besonnen.

Hier entlang:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Gefällt dir das sai-magazin?