poetry weekly 13.0 – irgendwas mit scheitern

von Katharina, Laura und Rebecca Beitragsbilder: Rebecca

Als Redaktion beschäftigen wir uns seit langem mit der Thematik des Scheiterns und allen dazugehörigen Facetten und Formen. Unsere Autorinnen Katharina, Laura und Rebecca haben kleine Texte dazu verfasst und teilen erste Gedanken. Irgendwas (anderes) mit Scheitern is coming soon.


gescheitatag (Katharina Hilbich)

wecker verschlafen 

kaffee verschüttet

keine zeit für müsli 

bahn verpasst 

kopfhörer vergessen 

hosenstall offen 

seminar fällt aus 

nicht in die mails geschaut

magen knurrt 


(ich knurre) 


zum bäcker 

zur bahn 

zurück ins bett 


knieschützer für reibungslosigkeit (Laura Kohler)

sophie hunger antwortete auf die frage „was magst du an berlin?“:

dass man dort noch ungestört scheitern darf. 


also bin ich in den norden gezogen,

weil ich angst vor der ungestörtheit hatte.

ich wollte nicht ungestört sein dabei, 

ich wollte stören.

ich habe das ziellose zelebriert,

um das scheitern zu brechen.

erst pläne machen, wenn verortung schon gegeben ist

geht das zurechtbiegen einfacher, wenn die planken sicher liegen, 

die sicherheitsleinen verschnürt sind.

wir verfehlen ziele. 

wir stürzen beim startschuss.

wir sehen schön aus beim scheitern,

weil wir es unter glitzerpartikeln begraben

bis die tarnung perfekt ist. 

wir wollen uns selbst nicht verunsichern,

und die welt schon gar nicht. 

wir sind schwankend genug.

wir haben dann das gefühl alles im griff zu haben.

c´est la vie, denken wir und schütteln den inneren kopf.

aber hauptsache keine zuschauenden wenn man strauchelt 

hält man nur so lange für sich die luft an, bis die balance wieder gegeben ist,

die arme weit zur seite gestreckt, einmal ausatmen, wochentage durchlaufen lassen.

wir sprechen nicht darüber, dass wir viel länger 

gebraucht haben als wir sollten, belastet uns,

dass deadlines verschoben wurden,

weil wir innere stichtage zu strikt setzten.

wir sprechen nicht von zurückweisungen und „leider müssen wir Ihnen mitteilen..“.

wir kaschieren es, wir übermalen es in pastell, weil es uns unangenehm ist,

während wir anderen beim leiter klettern zusehen

denken wir, wir sind die einzigen.

(5), mangelhaft, nicht ganz passend für alles,

unser wert an formalitäten gemessen, an tagesabhängigkeiten.

wir sprechen nicht vom scheitern vor uns selbst.

nur in spätsommerlichen stunden und vor liebmenschen die uns eh gut genug kennen, 

um uns verurteilen zu können, legen wir den stolz kurz zur seite und die knieschützer ab.

wir haben störgeräusche im kopf

ein ewiges summen, ein dröhnen,

wenn wir die vorahnung mit uns herumschleppen,

wenn wir mit gefühlen herumlaufen, die im herz ziehen, 

zögen wir uns gegenseitig wieder besser in den takt:

das ende des tages im glanze des scheiterns und alles geht wie passanten einfach weiter, nie vollkommen verzweifelt, / nie restlos begeistert, / das ende des tages im glanze des scheiterns.

wir trainieren, wie man besser scheitern kann. 

wir verlernen die glätte, die reibungslosigkeit flutscht uns durch die finger,

wir lassen dinge fallen und fangen uns wieder auf.

wir würgen heruntergeschlucktes aus und legen es offen einsichtlich auf den tisch.

betrachten erstaunt die scheitern der anderen vor uns, 

die wir dort nie vermutet hätten. 

wir untersuchen sie dann sorgfältig, 

die arten des scheiterns. die konturen, die konsistenzen. 

wir notieren uns die zeitpunkte und katografieren, 

ziehen parallelen zu uns selbst und berechnen die radien. 

wir behandeln unsere scheitern behutsam, aber in beziehung zu welt. 

wir glänzen nicht dabei, wir mattieren.

wir haben das doch nie gelernt. 

wir scheitern kollektiv.

Quellen
Sophie Hunger: https://www.20min.ch/story/die-schweiz-ist-fragil-dieses-kleine-land-460407901468
Mackes: Am Ende. Des Tages. Im Glanze. Des Scheiterns. 


das scheitern rasiert (Rebecca Rapp)

habe extra eingekauft 

den tisch gedeckt

meine laune brutal

beine fürs kleid rasiert 

ich weiß, dass ich nicht 

sollte 

strukturen bekämpfen

dann doch ottonormal sexy

auf nummer sicher

erstes scheitern.

ausnahmsweise sturmfrei

ich koche

verkoche mich mehrfach 

kann es noch retten 

deine tomatenallergie

zu spät 

dran gedacht

arrabiata für mich 

butter-nudeln für dich

zweites scheitern.

gegenüber am tisch 

fast nur smalltalk 

ich brauche mehr

du fragst nicht nach

in mir wird es laut 

interesse kommt zu kurz

jede weile zu lang 

und ich werde leise

unvollständige Antworten

drittes scheitern. 

du isst seelenruhig 

meine seele isst nervös

irgendwie enttäuscht 

erwartungen unerfüllt

du zückst insta 

das sollte anders sein

noch zwei gabeln

dann teile ich die laune 

unverständnis 

viertes scheitern.

die stimmung ist weg

war nie da

das flirten vergessen

gegen wände geflirtet 

wollte augenkontakt

und noch viel mehr 

jetzt diskutieren wir 

anstandsregeln 

aufgabenverteilung 

fünftes scheitern.

abend zu ende

unverhofft allein im bett 

verkochter kopf 

brutale laune 

arrabiata im magen

aufwand für nichts

zieh die beine ran 

hab schon wieder stoppeln 

full circle scheitern.

Irgendwas mit Scheitern is coming soon.

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