von Katharina, Laura und Rebecca | Beitragsbilder: Rebecca
Als Redaktion beschäftigen wir uns seit langem mit der Thematik des Scheiterns und allen dazugehörigen Facetten und Formen. Unsere Autorinnen Katharina, Laura und Rebecca haben kleine Texte dazu verfasst und teilen erste Gedanken. Irgendwas (anderes) mit Scheitern is coming soon.
gescheitatag (Katharina Hilbich)
wecker verschlafen
kaffee verschüttet
keine zeit für müsli
bahn verpasst
kopfhörer vergessen
hosenstall offen
seminar fällt aus
nicht in die mails geschaut
magen knurrt
(ich knurre)
zum bäcker
zur bahn
zurück ins bett
knieschützer für reibungslosigkeit (Laura Kohler)
sophie hunger antwortete auf die frage „was magst du an berlin?“:
dass man dort noch ungestört scheitern darf.
also bin ich in den norden gezogen,
weil ich angst vor der ungestörtheit hatte.
ich wollte nicht ungestört sein dabei,
ich wollte stören.
ich habe das ziellose zelebriert,
um das scheitern zu brechen.
erst pläne machen, wenn verortung schon gegeben ist
geht das zurechtbiegen einfacher, wenn die planken sicher liegen,
die sicherheitsleinen verschnürt sind.
wir verfehlen ziele.
wir stürzen beim startschuss.
wir sehen schön aus beim scheitern,
weil wir es unter glitzerpartikeln begraben
bis die tarnung perfekt ist.
wir wollen uns selbst nicht verunsichern,
und die welt schon gar nicht.
wir sind schwankend genug.
wir haben dann das gefühl alles im griff zu haben.
c´est la vie, denken wir und schütteln den inneren kopf.
aber hauptsache keine zuschauenden wenn man strauchelt
hält man nur so lange für sich die luft an, bis die balance wieder gegeben ist,
die arme weit zur seite gestreckt, einmal ausatmen, wochentage durchlaufen lassen.
wir sprechen nicht darüber, dass wir viel länger
gebraucht haben als wir sollten, belastet uns,
dass deadlines verschoben wurden,
weil wir innere stichtage zu strikt setzten.
wir sprechen nicht von zurückweisungen und „leider müssen wir Ihnen mitteilen..“.
wir kaschieren es, wir übermalen es in pastell, weil es uns unangenehm ist,
während wir anderen beim leiter klettern zusehen
denken wir, wir sind die einzigen.
(5), mangelhaft, nicht ganz passend für alles,
unser wert an formalitäten gemessen, an tagesabhängigkeiten.
wir sprechen nicht vom scheitern vor uns selbst.
nur in spätsommerlichen stunden und vor liebmenschen die uns eh gut genug kennen,
um uns verurteilen zu können, legen wir den stolz kurz zur seite und die knieschützer ab.
wir haben störgeräusche im kopf
ein ewiges summen, ein dröhnen,
wenn wir die vorahnung mit uns herumschleppen,
wenn wir mit gefühlen herumlaufen, die im herz ziehen,
zögen wir uns gegenseitig wieder besser in den takt:
das ende des tages im glanze des scheiterns und alles geht wie passanten einfach weiter, nie vollkommen verzweifelt, / nie restlos begeistert, / das ende des tages im glanze des scheiterns.
wir trainieren, wie man besser scheitern kann.
wir verlernen die glätte, die reibungslosigkeit flutscht uns durch die finger,
wir lassen dinge fallen und fangen uns wieder auf.
wir würgen heruntergeschlucktes aus und legen es offen einsichtlich auf den tisch.
betrachten erstaunt die scheitern der anderen vor uns,
die wir dort nie vermutet hätten.
wir untersuchen sie dann sorgfältig,
die arten des scheiterns. die konturen, die konsistenzen.
wir notieren uns die zeitpunkte und katografieren,
ziehen parallelen zu uns selbst und berechnen die radien.
wir behandeln unsere scheitern behutsam, aber in beziehung zu welt.
wir glänzen nicht dabei, wir mattieren.
wir haben das doch nie gelernt.
wir scheitern kollektiv.
Quellen
Sophie Hunger: https://www.20min.ch/story/die-schweiz-ist-fragil-dieses-kleine-land-460407901468
Mackes: Am Ende. Des Tages. Im Glanze. Des Scheiterns.
das scheitern rasiert (Rebecca Rapp)
habe extra eingekauft
den tisch gedeckt
meine laune brutal
beine fürs kleid rasiert
ich weiß, dass ich nicht
sollte
strukturen bekämpfen
dann doch ottonormal sexy
auf nummer sicher
erstes scheitern.
ausnahmsweise sturmfrei
ich koche
verkoche mich mehrfach
kann es noch retten
deine tomatenallergie
zu spät
dran gedacht
arrabiata für mich
butter-nudeln für dich
zweites scheitern.
gegenüber am tisch
fast nur smalltalk
ich brauche mehr
du fragst nicht nach
in mir wird es laut
interesse kommt zu kurz
jede weile zu lang
und ich werde leise
unvollständige Antworten
drittes scheitern.
du isst seelenruhig
meine seele isst nervös
irgendwie enttäuscht
erwartungen unerfüllt
du zückst insta
das sollte anders sein
noch zwei gabeln
dann teile ich die laune
unverständnis
viertes scheitern.
die stimmung ist weg
war nie da
das flirten vergessen
gegen wände geflirtet
wollte augenkontakt
und noch viel mehr
jetzt diskutieren wir
anstandsregeln
aufgabenverteilung
fünftes scheitern.
abend zu ende
unverhofft allein im bett
verkochter kopf
brutale laune
arrabiata im magen
aufwand für nichts
zieh die beine ran
hab schon wieder stoppeln
full circle scheitern.
Irgendwas mit Scheitern is coming soon.