Von Carolin Waldmann | Foto: © Justin Adam
Die gewaltfreie Kommunikation (Gfk) ist eine Methode, welche von dem amerikanischen Psychologen und Mediator Marshall B. Rosenberg zur Verbesserung des zwischenmenschlichen Miteinanders begründet wurde. Sie ist ein Türöffner für einen neuen Gestaltungsraum, der auf radikal liebevollen Prinzipien aufbaut.
„Jenseits von richtig und falsch ist ein Ort und dort treffen wir uns.“ – Rumi, persischer Mystiker
Die Art der Begegnung in der Gfk gibt unseren Bedürfnissen wieder Raum, fragt, was in unserem Herzensraum gerade lebendig ist und was gehört werden möchte. Sie lädt uns herzlich dazu ein, wieder 100% Verantwortung für unsere Bedürfnisse zu übernehmen, wodurch wir in mehr Verbundenheit mit uns und unseren Bedürfnissen treten können. Des Weiteren lässt sie uns eine Achtsamkeit entwickeln, welche Wertungen in unserem Kopf umherschwirren und welchen Wert wir ihnen bewusst beimessen wollen. Denn sie basieren zumeist auf der Vorstellung von richtig und falsch. Doch eine wirklich verbundene Begegnung kann, wie Rumis Worte es offenbaren, nur jenseits von dieser Vorstellung stattfinden. Keineswegs sollen wir die Wertungen als etwas Negatives betrachten und uns für diese verurteilen, wir müssen ihnen nur den richtigen Wert beimessen. Sie sind oft eine Reflektion unseres Schmerzes und laden dazu ein, unsere Verletzungen zu sehen, zu fühlen und zu heilen.
Sobald wir uns jedoch nicht mit den wertungsbehafteten Gedanken in unserem Kopf identifizieren, können wir sie nutzen, um uns wieder mit unserem Herzen zu verbinden. So entwickeln wir eine Einstellung zum Leben, die Ja zu Wachstum und Verbundenheit sagt und nicht in einen Widerstand geht, in welchem wir die Außenwelt und unsere Erfahrungen von uns abtrennen und uns ihnen verschließen.
Die Gfk geht davon aus, dass jede Situation unserem Wachstum dient. Manche Gfk-Trainer*innen bezeichnen sie als psychosoziale Technologie, um Bewusstsein zu schaffen und um uns zu helfen aktiv unsere Lebensrealität zu gestalten. Des Weiteren unterstützt sie uns bei der Kultivierung von Empathie und legt die Achtsamkeit auf das, was in der Kommunikation Verbundenheit schafft, anstatt auf das, was uns trennt.
Es ist sehr trennend, wenn wir unterbrechen, moralisieren, bewerten, relativieren, verallgemeinern, vergleichen, ablenken, Ratschläge geben, sowie Ironie und Sarkasmus verwenden. Wohingegen durch emphatisches Zuhören, Begegnungen auf Augenhöhe und das Formulieren von Gefühlen und Bedürfnissen, Verbundenheit geschaffen wird.
Zudem vermittelt die Gfk, dass die Bedürfnisse, die wir haben, nicht zwischen uns stehen und uns voneinander trennen. Sondern durch einen spielerischen und kreativen Umgang können sie verbindend wirken und wir müssen keine Kompromisse machen. Das Verharren auf einer bestimmten Strategie zur Verwirklichung von einem Bedürfnis entfernt uns voneinander und macht unser Herz eng. Aus diesem Grund gibt uns die Gfk von Marshall Rosenberg vier Schritte an die Hand, um im Konflikt durch unsere Kommunikation wieder in Kontakt mit der Schönheit, Fülle und unserem wahren Wesen zu kommen.
Die vier Schritte der Gfk
Der erste Schritt beginnt mit der Beobachtung der Situation, die uns bewegt. Hier wird versucht bewusst eine Abgrenzung zu schaffen von den Interpretationen und wertungsbehafteten Geschichten, die unser Kopf, basierend auf vergangenen Erfahrungen, konstruiert.
Im nächsten Schritt geht es um die Artikulation von unseren Gefühlen, wobei auch hier unterschieden wird zwischen Gedanken und Gefühlen. Die Gefühle trennt Marshall Rosenberg in Primärgefühle, Sekundärgefühle und Pseudogefühle auf. Primärgefühle sind die „puren Gefühle“, wie Angst, Trauer, Freude, Hilflosigkeit und Geborgenheit. Sie machen uns lebendig und sind in ihrem Auftreten ganz beweglich und direkt im Körper erlebbar. Sekundärgefühle, wie Wut, Neid, Enttäuschung, Schuld, Scham und Eifersucht sind hingegen anhaftend an einer mentalen Geschichte des Mangels. Und wenn wir diese loslassen, erkennen wir, dass sich hinter ihnen eigentlich auch nur ein Bündel an Primärgefühlen versteckt. Die letzte Kategorie der Pseudogefühle stellt von uns „ernannte Gefühle“ dar, die eigentlich nur einem „Opfer-Täter-Konstrukt“ unterliegen. Diese „Gefühle“ implizieren, dass wir das Opfer sind, und dass der Andere die Verantwortung für unsere Gefühle hat.
Die Gfk möchte uns wieder sensibilisieren für diese Unterscheidung der Gefühle und lädt uns ein, den Fokus auf die Primärgefühle zu legen, da sie es sind, die uns mit der Lebendigkeit unserer wahren Natur verbinden und in einer „Ich-Bezogenheit“ artikuliert werden. Wohingegen die Sekundär- und Pseudogefühle das Festhalten an einer mentalen Geschichte implizieren und häufig eine Strategie sind, um die volle Intensität der Gefühle (Angst, Trauer, Schmerz, Unsicherheit, etc.) nicht zu spüren, obwohl Gefühle eigentlich nur Wegweiser zu unseren Bedürfnissen sind.
Im dritten Schritt geht es darum die Bedürfnisse zu formulieren, wobei man klar zwischen Strategie und Bedürfnis unterscheidet. Die Strategie ist immer ein konkreter Weg, um das Bedürfnis zu erfüllen, wobei das Bedürfnis selbst unkonkret ist. Verständnis, Unterstützung, Nähe und Verbundenheit sind beispielsweise menschliche Bedürfnisse, die allen Menschen gleich sind.
Im letzten Schritt geht es um die Formulierung einer Bitte, um mit den Anderen in Kontakt zu kommen. Diese sollte jedoch konkret und positiv formuliert sein und dem Gegenüber stets Raum und Akzeptanz für ein „Nein“ geben, denn eine ehrliche Beziehung beginnt erst, wenn es auch ein „Nein“ sein darf. Hierbei wird klar differenziert von einer Forderung, welche im Bewusstsein des Mangels wurzelt und aus Angst und Ohnmacht geboren wird.
Diese vier Schritte sind das Herzstück der Gfk und können als „Krücke“ zu unserem wahren Wesen fungieren, wenn wir sie in unseren Alltag integrieren. Oft haben wir schon den Satz „Kommunikation ist alles“ gehört und dies auch nicht ohne Grund. Ein Miss- oder Unverständnis auf der zwischenmenschlichen Ebene wirkt sich meistens sofort auf alle weiteren Bereiche aus.
So lässt uns die Gfk wieder die bedeutende Fähigkeit des Mitgefühls üben, was für eine Rückkehr der Menschlichkeit in der Welt unverzichtbar ist. Nicht grundlos plädiert der Dalai-Lama für eine „Revolution des Mitgefühls“. Abschließend lässt sich sagen, dass Marshall B. Rosenberg die Methode der Gfk vor allem konzipierte, um den Menschen wieder die Schönheit in uns und unseren Mitmenschen bewusst und sichtbar zu machen. Die Gfk ist ein Weg, um unsere Aufmerksamkeit Augenblick für Augenblick auf die Wahrnehmung der Schönheit in uns und den Anderen zu richten.
Pingback: Meine Stadt, meine Zukunft, mein Wandel – sai
Pingback: Project Peace – sai