03: Krise in Tomatensauce

Text und Bild von Anne Meerpohl

Ein paar Worte über unsichtbare und unbezahlte Arbeit

Ich zerschneide den widerspenstigen Satz und schiebe die Einzelteile mit der stumpfen Messerkante vom Brett direkt in die Pfanne. Es zischt und ein wohliger Geruch steigt mir in die Nase. Ich werfe ein paar Zwiebeln hinterher und rühre, bis man das ganze schon eine Sauce nennen kann.

Pflücken, sammeln, zerteilen und zubereiten. In regelmäßigen Abständen wiederholen sich die Aufgaben. Die schlanken Finger umschließen die Früchte in geübter Vorsicht und notwendiger Eile. Das Messer ist scharf und schneidet klingend in die glatte Haut. Nur ein Gewebe entfernt zuckt die Haut des anderen Körpers. Sie brennt nach den vielen Stunden und rötet sich ebenfalls. Der auslaufende Saft aus der halbierten Tomate wirkt beinahe ätzend. Das Kind noch schlummernd wird es auch irgendwann fühlen.

In bleibender Unruhe zittert die dickflüssige, blutrote Masse im Gefäß. Die Küchenmaschine war eine gute Investition. Eine Armverlängerung. Ein Teil des Alltags, der eigenen Reproduktion, etwas Vertrautes. Das nun erwachsene Kind hat es gespürt, das Brennen an den Fingerkuppen, sieht sich in einer guten Lage und hat eine Anstellung vergeben. Diese trägt inzwischen Handschuhe und arbeitet für wenig Geld. Beide sorgen sich wenig um einander und sich selbst. Der breiartige Inhalt aus Fruchtfleisch rutscht ordnungsgemäß in Schieflage auf die Fläche. Mit gespreizten Fingern klatscht ihre Hand darauf und verteilt sie. Sie hinterlässt Spuren auf dem Teig. Den Ofen hatte ihre Angestellte bereits vorgeheizt. Alle herkommen, es ist serviert!

Das Zerkauen der Pizza wirkt wie ein Rhythmus. Wie etwas, das sich wiederholt, neu erfindet, optimiert und manchmal wohlklingt. Ein Motor, der schmatzt und wiederkäut. Der überfährt, missachtet, der bestreikt werden muss. Eine Generation später überlegt sie anders. Hatten ihre Großmütter nicht schon gelitten? Kommt dieses und jenes nicht von der gleichen Struktur? Was können wir noch auflösen?

Der ausgerollte Teig, fertig zusammengemischt aus dem Supermarkt, lag etwas zu lange in dem heißen Ofen. Er ist nun steinhart und ungenießbar. Da kann auch der Belag nichts mehr herausholen.

Die Tomate ist ihre Freundschaft, ihre Verwandtschaft. Vielleicht ein Symbol für das Vergangene und die Möglichkeiten. Sie und ich werden selbst zur Sauce, fluid, schwimmend und schwebend.

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