von Friederike Schick | Illustrationen: Arvid Flethe
Wir liegen nebeneinander auf meiner Matratze. Dein Körper neben meinem, so ganz selbstverständlich. Dabei ist es selten, dass wir, dass unsere Körper aufeinandertreffen, sich spüren, sich nahe sind. Und trotzdem fühlt es sich so an, als würden wir hier schon immer gemeinsam nebeneinander liegen. Wir müssen uns nicht berühren, wir sind uns nah, auch ohne Berührung.
Ich möchte dir sagen, dass ich dich liebe, dass ich dich schon immer geliebt habe und dass ich dich auch immer weiter lieben werde. Möchte mich und meine Worte um deinen Körper legen und die Nähe dieser zögerlichen und doch schon immer da gewesenen Zweisamkeit genießen. Dich wissen lassen, dass ich nicht mehr brauche als dieses Nebeneinanderliegen in der Präsenz von Jetzt und Hier. Dass wir genug sind, nicht mehr sein müssen als eng verbundene, unberührte Nähe. Nur mit dir hier liegen und die Schneefetzen beobachten, die so langsam vom graublauen Himmel fallen, als gäbe es keine Zeit. Wir beobachten, wie die Schneeflocken zu kleinen, sich verzweigenden Rinnsalen werden und auf stockenden Umwegen versuchen, der Schwerkraft zu entrinnen.
„Müssen berührt uns nicht, wenn wir zusammen sind“
Und auch wir entrinnen der Schwerkraft. Denn all die inneren Worte haben keine Konsequenz, werden zu keinem Müssen, sind sie einmal ins Außen gekehrt. Wir müssen nichts tun, müssen keine Form für uns finden, keine Gefühle übereinanderlegen, sie abgleichen und dann mit neu behafteter Bedeutung wieder in uns einsortieren. Nein, Müssen berührt uns nicht, wenn wir zusammen sind. Unser Wir bleibt frei von all dieser bedeutungsvollen Schwerkraft. Dich lieben ist leicht, denke ich, während ich mich aufstütze und von unten beobachte, wie du redest. Wie du deinen Kopf drehst und sich kleine Falten um deine Augen bilden, wie sich deine Lippen kräuseln und deine Zähne zum Vorscheinen kommen. Alles daran bleibt schwerelos.
Lieben ist so lange leicht, bis du gehst. Bis die Selbstverständlichkeit deiner Präsenz von der zweifelnden Allgegenwart deiner Abwesenheit abgelöst wird. Dann beginne ich mich zu fragen, was all die Freude und Leichtigkeit in mir jetzt noch zu bedeuten hat.
„Und ich frage mich, ob das nicht Abhängigkeit ist“
Als du noch dem Schnee beim Schwerkraftwerden zugesehen hast, bin ich ins Bad gegangen. Ich musste mich im Spiegel sehen, musste sehen, wer ich jetzt bin. Sehen, wie diejenige aussieht, die sich so leicht und einfach anfühlt. Hab mich bestaunt, mit warmen Wangen und leuchtenden Augen. Und mit diesem gekräuselten Lächeln um die Lippen, das sich schon lange nicht mehr auf diese Art entfaltet hat. Hab kurz gedacht, ja das bin ich, das ist mein Sein und wie leicht es dir fällt, dieses leuchtende Sein in mir zu finden. Und dann habe ich aber gedacht, wie schwer es mir oft fällt, mich selbst zum Leuchten zu bringen. Und jetzt, wo du weg bist, denke ich, dass ich das unbedingt selber können müsste. Dass ich aus mir herausstrahlen sollte, auch ohne deine Anziehung. Und ich frage mich, ob das nicht Abhängigkeit ist. Bin ich abhängig von der Leichtigkeit deines Seins? Von meiner Vollständigkeit in deiner Gegenwart?
„Aber manchmal fühle ich mich freier, wenn du neben mir bist“
Es ist schon seltsam, denke ich. Ich muss nichts, wenn du da bist, und muss alles, wenn du weg bist. Muss mich wieder frei und unabhängig fühlen. Muss genießen, allein zu sein. Muss für mich meinen Weg gehen und das gut finden. Aber manchmal fühle ich mich freier, wenn du neben mir bist. Wenn sich unsere Präsenz zwischen uns bettet und Selbstverständlichkeit wird. Wenn wir einfach nur sind. Fühle mich wie der Mensch, der ich sein soll oder der ich bin oder der ich eigentlich schon immer war. Es ist nicht nur leicht dich zu lieben, es ist auch so leicht ich zu sein neben dir. Ein Ich ohne Fragen, ohne Zweifel, ohne Müssen und ohne Konsequenzen.
Die Tür ist hinter dir zugefallen, doch die Wärme deiner Leichtigkeit bleibt noch ein bisschen. Und ich versuche mir zu sagen, dass das so sein darf. Dass mich das nicht abhängig macht. Dass es nicht bedeutet, dass ich weniger ohne dich, sondern noch viel mehr mit dir bin. Und dass es schön ist, noch mehr zu sein. Mehr Ich gespiegelt in deinem Du. Ein Ich und ein Du, das sich umspielt, das Symbiose ist, ohne Auflösung der Einzelheiten. Einfach nur ein symbiotisches Wir aus zwei unaufgelösten Ichs, die alles sind in Gegenwart und nichts sein müssen in Zukunft. Zumindest so lange, bis sich unser Gefühl von Wir wieder in Müssen und Alltag verliert.
Wow! Erstmal einfach danke.