Beitragsbilder: ©Julie Matthees
Vielleicht niemand, vielleicht zu viele.
In „die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ wird eine Art Mensch beschrieben, die man Träumer nennt und die das Leben so leben, als wäre immer ein unsichtbares Publikum anwesend.
Ich habe gelernt, dass ich eine Träumerin bin.
Habe aber auch erkannt, dass ich mich nicht hinter dieser Beschreibung verstecken kann.
Obwohl ich so viel alleine bin fühle ich mich so gefangen wie noch nie.
Gefangen in einem Paradox aus Einsamkeit und Mich-beweisen-müssen.
Hast du schonmal einen ganzen Tag nicht gelacht?
Wenn man es dann doch wieder tut, fühlt es sich seltsam an.
So schnell kann man Lachen verlernen.
Man bekommt erst ein richtiges Gespür für das Selbst und für Eigenverantwortung, wenn man alleine ist.
Erst wenn man sich vom unsichtbaren Publikum verabschiedet, den Applaus oder die Pfiffe ausblendet und geht, kann man sein.
– Anonym (Bild: Anna Trunk)
Bin ich überhaupt, wenn ich alleine bin? Für wen denn?
Da sich meine Identität immer am Anderen, am Gegenüber bildet, bilde ich mir ein, mich selbst spalten zu müssen, um für mich selbst wer zu sein. Der Typ, der in der Wohnung sitzt, sentimental Sufjan Stevens hört und der Weide draußen beim Trauern zusieht. Und der andere, der anfängt, zu schreien: Steh auf du Waschlappen, geh raus und tu was gegen die Enge, gegen die Leere, gegen das Nichtsein. Und ich hör drauf, weil dieser Herr Kommandant die Leistungsmesslatte schwingt und mich schier erdrischt damit. Wie David Wallace in diesem Film sagt: Ich glaubte immer, es würde alles okay werden, wenn ich nur X machen, Y erreichen, und Z dabei rauskommen könnte. Ist das nicht etwas sehr Modernes? Tun, um zu sein. Verrückt, wie tief das sitzt, denke ich mir dann so am Fenster. Wie sich diese Idee in mich eingeschrieben hat, nur Wert zu haben, wenn ich etwas von „Wert“ generiere. Und natürlich hat es nur einen Wert, wenn es besonders ist. Besonders soll es sein. Soll ich sein. Doch wer sieht, wie besonders ich bin, wenn es niemand da ist? Fällt ein Baum im Wald, wenn es niemand wahrnimmt? Manchmal muss man einfach das Fenster öffnen, die philosophische Frage hochkant rausschleudern und sich den frischen Wind durchs Hirn blasen lassen. Der Wind heult. Jemand zu Hause? Nein, der ist rausgegangen und hat sich auf diese umgestürzte Weide gesetzt, die keiner gesehen hat. Da sitzt er nun und dreht sich eine. Und irgendwie ist er ja doch da. So ganz für sich.
– Jonathan (Bild: Konstantin)
Ich bin gelangweilt von mir selbst. Meine Gedanken lassen meine Worte unendliche Achterbahnen fahren; die Ereignisse überschneiden sich immer und immer wieder. Mit jedem Satz, der über meine Lippen kommt, gehe ich ein nahezu untragbares Risiko ein. Die Angst, meine Geschichte zu verfälschen, indem ich sie versuche aus mir herauszuziehen, die Angst, dass der Faden abreißt, der an das gebunden ist, was ich tief in mir trage.
Ich bin ich und ich. Meine Zunge ist gespalten. In ihrer Mitte entdeckst du einen roten Faden, der das zusammenhält, was Identität ist. Wenn wir uns kennenlernen wollen, musst du beide Seiten verstehen können. Und ich weiß, dass das Zuhören mühsam ist und, dass die ständige Unsicherheit, vielleicht einen Akzent falsch zu setzen dich reizt. Aber nach einiger Zeit wirst du Dinge schmecken, die es vielleicht klarer machen, wovon ich rede.
Ich bin mein Körper. Daher bin ich nie wirklich alleine. An einigen Tagen möchte ich mir erlauben, mit ihm glücklich zu sein, an anderen nicht. Dann denke ich, was es bedeutet, dass ich nach all diesen Jahren nicht einmal die Chronologie meines ersten Zuhauses nachzeichnen kann. Dass ich immer noch nicht weiß, wie die Fenster sich öffnen. So viele Jahre an einem Ort und noch immer vergesse ich seine Koordinaten.
Ich bin frei. Das erste Mal, als ich das bemerkte, traf es mich tief. Die immergleichen Tapeten umgaben mich, aber der Wind, der seit Tagen durch die Rillen kroch, hatte die Tür aufgestoßen, und so war die vierte Wand durchbrochen worden. Und weil ich allein im Zimmer war, konnte ich entscheiden, was mit der Tür anzustellen war. Niemand schloss mich ein, wenn nicht ich selbst.
Ich bin unentschlossen. Zwischen Schnee und Regen wähle ich letzteres, aber jetzt gewittert es seit drei Tagen und ich bin mir nicht mehr sicher. Wasser und Schnee sind zwei Zustände derselben Substanz. Jede Entscheidung wäre an einen grundlegenden Verrat geknüpft.
Ich bin da. Während also die Elemente durch spindeldürre Finger eines konstruierten Gedankenskeletts rinnen, habe ich entschieden, dass ich mich nur auf eine Konstante verlassen kann – dass ich, sowie ich den Veränderungen standhalte, eine Sicherheit habe: Ich werde immer da sein.
– Anonym (Bild: Friederike Teller)
Ich bin eine Klangschale, die sich selbst hören kann und lauscht,
Eine Zigarette, die vom eigenen Glimmen fasziniert ist, wenn sie raucht,
Ein Gesicht im Spiegel, das viel zu nachdenklich schaut,
Ein Gedanke beschäftigt mit Sein,
Ein, sich seiner Schwere hingebender Stein,
Der jedem Schein entgehen möchte,
Ein Körper, der sich auf Trampelpfaden ins Unterholz flüchtet,
Ein Mensch ohne Namen auf geschweißtem Papier,
Ein Geist ohne Angst sich selbst zu verlier ‘n,
Denn ich bin ja immer bei mir.
von Paula – Instagram: @paulachtlaut (Bild: Franca Kruppa)
ein ehrliches wesen ist ein teil der natur
das bin ich das bist du
das sind wir
das seid ihr, so rar
ich denke hier „ich denke, also bin ich“
heute entfalte ich mein sein
meinen inneren blick und mich
diese verdammt tiefe kraft bin ich
ich ziehe mich aus mir und meiner gestalt
es geht hier nicht um lose hüllen
jetzt geht es um mich
ich bin eins mit der natur
entfaltung, mein sein liebt es hier
so ganz allein als individuum
von Claire – Instagram: @clairellune
(Bild: Franca Kruppa)
Wann darf mein Bauch Bauch sein und wann darf mein Körper Raum einnehmen?
– Anonym (Bild: Anna Trunk)