Toll, die Kids machen mal etwas anderes als auf ihr Smartphone zu schauen. Wie niedlich, sie demonstrieren. Die Reaktionen auf die Fridays for future Bewegung sind zum Teil beschämend. Sie reduzieren die Teilnehmenden auf ihr Alter und ihre Geschichte. Klar, Medien wollen Geschichten erzählen: Greta Thunberg gibt sie ihnen, durch ihre symbolisch anmutenden Streiks. Doch genau hier liegt ein Missverständnis vor – ihr Handeln ist nicht symbolisch und der Klimawandel ist es auch nicht. Greta und viele andere junge Menschen der Bewegung, treffen sich mit Interessenvertreter*innen um ihre Positionen zu vertreten und zu verhandeln. Sie generieren Aufmerksamkeit und schaffen es so ein Thema auf die Agenda zu setzen und es dort zu verankern, das ist ganz konkretes politisches Handeln.
Denn nur durch das Wort Klimawandel, geht der Klimawandel nicht weg. Zumal das Wort Klimawandel auch auf die natürlichen klimatischen Schwankungen in der Erdgeschichte verweist. Damit zählt das Wort selbst zu den Leugnern, der durch den Menschen verursachten Erderwärmung. Die ist eben kein ganz natürlicher Wandel und vollkommen ungefährlicher Prozess.
Über die Zukunft, die Heute wird
Greta ist zu bewundern. Es gelingt ihr, eine wichtige Verknüpfung zwischen Denken und Handeln herzustellen.
Wir wissen längst Bescheid: Die Erderwärmung ist unsere Schuld. Grund dafür ist besonders die Verbrennung von Kohle und Erdöl. Das kann man leugnen oder versuchen zu bestreiten, dann argumentiert man aber gegen das Umweltbundesamt und wissenschaftliche Studien.
Auch über Zukunftsszenarien dieser Entwicklung lässt sich herzlich wenig diskutieren, denn sie sind schlicht keine Zukunftsszenarien mehr. Um bis zu 26 Millionen Tonnen steigert sich die abschmelzende Eismasse in der Arktis jedes Jahr. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann die Arktis im Sommer eisfrei sein wird.
Falls jemand wirklich noch Fakten braucht, um anzuerkennen, dass die Erderwärmung als reales Problem einen Hauptsendeplatz in unseren Gehirnen und Nachrichten verdient hat, hier sind sie:
1. Sie tötet und vertreibt Menschen
Die Erderwärmung ist verdammt ungerecht, Länder in Äquatornähe und arme Menschen werden am stärksten von den Folgen betroffen sein. Bis 2050 werden voraussichtlich ca. 250 Millionen Menschen durch die Folgen der Erderwärmung zu Migration gezwungen werden. Die Regierung von Tuvalu, momentan noch eine malerische Inselgruppe im Pazifik, hat für ihre 11.000 Einwohner*innen bereits Asyl in Neuseeland und Australien beantragt.
2. Sie macht die Erde leer
60% der Arten in Europa sind bereits vom Aussterben bedroht. Bis 2050 könnten bis zu 35% der Arten auf der Erde durch die Erderwärmung ausgestorben sein. Nicht nur Menschen, auch Tiere fliehen schon jetzt vor dem Klimawandel. Ein Drittel der Menschheit ist zudem von Wüstenbildung in Folge der Erderwärmung bedroht. Jedes Jahr verliert die Erde momentan etwa 12 Millionen Hektar (10.000m´2) fruchtbaren Bodens – Wüsten entstehen. Dies betrifft viele landwirtschaftlich genutzte Flächen und verringert so die Nahrungsmittelproduktion.
3. Sie ist heiß und nass und ziemlich extrem
Ein Temperaturanstieg zwischen 1,8 und 4,0 Grad bis 2100 wurde von Expert*innen berechnet. Diese Schnelligkeit der Temperaturveränderung kam in den letzten 10.000 Jahren nicht auf der Erde vor. Der Meeresspiegel wird zwischen 18 und 59 Zentimetern ansteigen. Hitzewellen, Dürreperioden und Starkniederschläge und andere extreme Wetterlagen sind und werden häufiger. Diese allmählichen Veränderungen können, wenn sie bestimmte Kipp-Punkten erreichen, abrupte größere Klimaveränderungen auslösen. Plötzlich kann es zu einem Zusammenbruch des Golf-Stroms kommen und damit das Meer um mehrere Meter ansteigen. Weitere katastrophale Folgen sind denkbar – Weltuntergangsszenarien gibt es nicht nur im Kino.
Nun ist das für die meisten Menschen nicht neu und Fridays for futurestieß auch deshalb in Deutschland auf große Unterstützung. In über 50 Städten gibt es inzwischen Proteste und die Bewegung ist in Medien und Politik angekommen. Nur wenig Menschen, einige davon sind leider Präsident, können es sich noch leisten so zu tun, als wüssten sie nichts von der Erderwärmung.
Aber da ist eben diese ungemütliche Lücke zwischen Einstellung und Handeln. Welche uns bei anderen wie Greta („Sie isst Essen, das in Plastik verpackt ist.“) immer so leicht auffällt. Klar, diese sogenannte kognitive Dissonanz macht uns schon ein kleines schlechtes Gewissen. Aber so ganz radikal verzichten? Das kann doch keine Lösung sein.
Das Problem ist das System, das System ist das Problem, das bist du
Irgendwann erreichen Gespräche über die Erderwärmung ihren Schulterzuckenden Nullpunkt. Was kann der*die Einzelne schon ausrichten? Natürlich mag es stimmen, dass ein Wirtschaftssystem, welches auf grenzenloses Wachstum angewiesen ist nicht an die Erde, die Menschen und ihre Kinder denkt. So aufgeschrieben klingt das allerdings ziemlich absurd und falsch. Denn für wen soll dieses System denn sein, wenn nicht für die Menschen, die Erde und ihre Kinder? Das System zu seinen eigentlichen Zielen zurückzuführen, dazu gibt es bereits Ideen und Ansätze. Unternehmen weltweit versuchen mit einer Gemeinwohlbilanz ihr Handeln anders als durch monetäres Wachstum zu definieren. Der Wirtschaft müssen neue Facetten hinzugefügt werden von Menschen für Menschen.
Nur leider haben wir den Wachstumsimperativ längst hinuntergeschluckt. Es ist traurig und bitterschön zugleich: Wir sind eben doch verantwortlich. Durch unser Handeln tragen wie einen CO2 Rucksack. Klingt nach lustiger Reiseerfahrung und hat auch tatsächlich mit der ganzen Welt zu tun, ist aber die Menge CO2 für dessen Ausstoß wir ganz allein verantwortlich sind. Messen kann man sein Gepäck kostenlos und anonym online.
Aber kleiner Spoiler: Mit einem Hin-und Rückflug von Frankfurt nach New York ist man bereits für 3,7 Tonnen CO2 verantwortlich . Die durchschnittliche Jahres Emission eines Menschen in Indien sind 1,6 Tonnen. Ein Jahr als Normalmensch mit Normalauto verschmutzt die Umwelt mit 2 Tonnen CO2. Ein Jahresbudget von 2,3 Tonnen wäre das Maximum um die Erderwärmung noch auf 2 Grad Celsius zu beschränken.
Daraus lässt sich auch berechnen, an welchem Tag die Ressourcen für ein Jahr weltweit verbraucht sind: der Earhovershootday . Seit 1971 übersteigt nämlich der jährliche Verbrauch die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Im Jahr 2018 war dieser denkwürdige Tag am 1. August. Er wurde so wieder einen Tag nach vorne gerückt, ein trauriger Rekord
Es gilt also vielleicht noch deutlicher zu werden: Wir haben nicht nur ein Problem, wir sind das Problem. Deswegen ist es das Mindeste, Menschen, wie Greta, welche sich mit diesem Problem beschäftigen, nicht zu belächeln.
Des Weiteren sollte es der Anspruch jedes einzelnen Menschen sein, sein Handeln kritisch zu hinterfragen. Alle Werkzeuge stehen bereit.
Doch, und das ist radikal, wir müssen unser Handeln auch aktiv ändern. Nicht weil wir es müssen, bis der Staat anfängt effektiv zu regulieren werden wohl noch Ewigkeiten vergehen, sondern weil wir es wollen. Es fühlt sich gut an, konsistent mit seinen Überzeugungen zu sein – kognitive Harmonien zum Klingen zu bringen. Es ist befreiend den gierigen Wachstumsimperativ mal für ein paar Stunden, Tage oder Monate abzuschütteln. Es ist nicht das schlechte Gewissen, welches uns ermahnt weniger Fleisch zu essen, nicht zu fliegen und auf nachhaltige Energie- und Lebensmittelsysteme umzustellen, es ist die Stimme der Vernunft.
Ich bin geneigt, diese Forderungen zu relativieren. Sie alltagstauglicher und ansprechender, irgendwie entspannter zu machen, damit nicht zu viel verändert werden muss. Anstrengend, diese Menschen, die immer so kritisch auf die Verpackungen gucken und mit dem Bus verreisen wollen. Aber Greta Thunberg hat Recht: Unser Haus brennt.
Natürlich geht es darum, es zu Versuchen, aber nicht nur so als Ausrede. Die Erderwärmung ist ein, dein, unser Problem. Es ist dank jungen engagierten mutigen Menschen und schockierenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen uns wieder näher und bewusster im Alltag. Jetzt geht es darum, weiter zu reden, zu forschen und zu handeln. Denn das war nur der Prolog. Das Wort Klimawandel ist kein magisches Wort, voller sofortiger reinigender Zauberkraft. Man muss es aussprechen undetwas dagegen tun.
„Denn für wen soll dieses System denn sein, wenn nicht für die Menschen, die Erde und ihre Kinder?“ Genau diese Frage ist der Knackpunkt der FFF-Bewegung. Anstatt die Systemfrage zu stellen, wird sich dem jetzigen System angebiedert und moralisierend auf den Einzelnen geschaut. Unbewusst weiß wahrscheinlich jeder der Teilnehmenden, dass sein oder ihr Konsumverzicht nichts ändern wird, aber es lebt sich dann doch besser mit einem guten Gewissen. Eine soggenante „Gemeinwohlökonomie“ unter kapitalistischen Imperativen kann den Klimawandel ebenso wenig aufhalten wie die Armut und Ungleichheit, da sie den eigentlichen Charakter des Kapitals schlicht leugnet. Es braucht eine Kritik der politischen Ökonomie statt Konsumkritik.
„Das Problem ist das System, das System ist das Problem, das bist du“ – Der bürgerliche Staat hat im Gegensatz zum Unstaat und Racket glücklicherweise eine Trennung zwischen Subjekt und System vollzogen, die eine Identifikation mit dem System überflüssig machte und die zumindest ich gerne beibehalten möchte.
Pingback: Ziviler Ungehorsam gegen die Klimakrise – sai
Die Systemfrage ist schon zu stellen. Aber die Utopien sind halt immer irgendwo realitätsfern. Der Wandel den diese bewirken, die Perspektive, ist es nicht. Die DDR erzwang vor allem eine Mäßigung bzgl. der negativen Tendenzen im Kapitalismus und umgekehrt.
Jeder handelt subjektiv.
Persönliche Preferenzen.
Idole: Echte (Mausfeld) oder fiktive… Kein Unterschied…
Sollten wir einen Machen?
Muss ein System nicht überleben?
Am Anfang einer Beurteilung steht immer die Perspektive.
Verstehen. Keine Propaganda. Aufklärung. Keine Gegenaufklärung.
Stichwort wie zuvor.
Rainer Mausfeld.
Sicher gibt es andere.
Democracy Incorporated S. Wolin
The Age of Acquiescence Steve Fraser
Hab ich auch alle nicht gelesen.
Nein, das wollte ich nicht sagen.
Genug Werbung….
Make my Day.