Text und Illustrationen von Jonas Brandt
Es kann sein, dass der Tag kommt, an dem wir gar keine Wahl haben: Um unseren Lebensstandard zu erhalten, bleibt uns nur noch ein Grundeinkommen einzuführen.
Dieses Szenario ist laut Experten gar nicht so unwahrscheinlich. So könnten laut einer viel zitierten Oxford-Studie rund 50% der heutigen Jobs in westlichen Gesellschaften schon bald von Maschinen ausgeführt werden (Vgl. Frey C.B., u.a.: The future of employment). Eine enorm hohe Menge an menschlicher Arbeitskraft würde frei gesetzt, aber nicht mehr benötigt werden und die Arbeitslosigkeit, besonders unter gering Qualifizierten, würde stark ansteigen. Da wir in einer komplex verstrickten Gesellschaft leben, würde solch ein Trend natürlich uns alle betreffen, da durch weniger ausbezahlte Löhne die Kaufkraft und damit die Nachfrage der Bevölkerung sinken würde. Was nutzt es den Superreichen dann noch, wenn niemand mehr ihre Produkte bezahlen kann?
So eine Welt braucht uns eigentlich gar nicht erschrecken . Die Produkte sind ja vorhanden, die effektive Arbeitskraft ist dieselbe, nur zu einem größeren Anteil von Maschinen ausgeführt. Einzig an Geld fehlt es den Menschen als Legitimation, sich die Produkte auch kaufen zu dürfen.
Gut also, dass wir zwei Mittel haben, uns aus solch einem Dilemma zu befreien:
Die Arbeitszeit der Erwerbsarbeit – Arbeit, für die wir Lohn erhalten – auf zwanzig Stunden pro Woche reduzieren.
Und das Grundeinkommen.
Ein Fehlglaube muss allerdings aufgehoben werden: In der Vorstellung vieler Menschen bedeutet ein Grundeinkommen mehr Geld für alle. Das ist so aber nicht ganz richtig, denn die Marktgesetze verhindern, dass es funktionieren würde, über allen Menschen wie aus einem Füllhorn Geld auszuschütten.
Deshalb ist ein Grundeinkommen immer auch eine Form der Umverteilung. Je nach Ausgestaltung mal mehr und mal weniger von oben nach unten. Tatsächlich soll es auch Modelle geben, die es schaffen eine Umverteilung von unten nach oben hinter der Fassade eines Grundeinkommens zu verstecken.
Keine Arbeit mehr? Oh ja!
Berühmt geworden durch seine Vorstellungen von einem bedingungslosen Grundeinkommen ist der Unternehmer Götz Werner. Man kennt ihn sonst als Konzernchef der Drogeriemarktkette „dm“.
Sein 2007 veröffentlichtes Buch „Einkommen für alle“ leistet zwei Dinge: Es ist eine Lobeshymne auf die Arbeitsverhältnisse bei dm und es stellt Werners Konzept für ein gelungenes Grundeinkommen dar.
Gerade innerhalb Werners theoretischer Begründungen für ein Grundeinkommen sind viele einleuchtende und durch schöne Beispiele gestützte Argumentationsketten zu finden. So entdeckt Werner eine geistige Verwandtschaft des Grundeinkommens mit dem Bibelgleichnis „von den Arbeitern im Weinberg.“ Obwohl unterschiedlich lange gearbeitet, bekommen alle zur Weinlese angestellten am Abend denselben Lohn ausgezahlt. Die Motivation des Weinbergbesitzers für dieses Vorgehen sieht Werner in der Überzeugung, erst ein Lohn und eine geregelte Grundversorgung würden Arbeit überhaupt möglich machen.
So kommt Werner zu der Erkenntnis: Erst muss der Lohn kommen, dann die Arbeit. Und kehrt das Verhältnis von Arbeit und Lohn damit einmal um 180°: Lohn nicht mehr nachträglich, sondern präventiv auszahlen. Als Vertrauensvorschuss sozusagen, um Arbeit zu ermöglichen.
So durchdacht und verlockend Werners theoretische Herleitung klingen mag – selbst im Grundgesetz will er den individuellen Rechtsanspruch auf ein Grundeinkommen gefunden haben – so enttäuschend ist dann das Konstrukt, das er für die praktische Umsetzung eines Grundeinkommens vorschlägt.
Werners Modell eines Grundeinkommens steht und fällt mit der Konsumsteuer. Sie wäre nichts anderes als die heutige Mehrwertsteuer, nur dass Werner radikal alle Steuerarten abschaffen und mit der ausgeweiteten Mehrwertsteuer – dann Konsumsteuer – 100% des Staatshaushaltes und zusätzlich das bedingungslose Grundeinkommen finanzieren wollen würde.
Laut Werner würde sich an der Höhe der Produktpreise gegenüber heute kaum etwas ändern, da bereits heutzutage alle Steuerarten in die Preise einkalkuliert und damit Steuern ausschließlich an der Ladenkasse bezahlt werden würden.
Darüber hinaus, so Werner, würde solch eine einheitliche Konsumsteuer beachtlich dazu beitragen, unser Steuersystem mitsamt Bürokratie zu vereinfachen und nochmals zusätzlich Nerven und Kosten einsparen.
Der große Haken an Werners Vorschlag ist allerdings die Verteilung der Steuerlast. Steuern wären nun ausschließlich an den individuellen Konsum geknüpft. Werner findet das genial, denn er versucht klarzustellen, dass mit wachsendem Einkommen und Vermögen auch die Konsumausgaben wachsen würden. Eine Millionärin, die sich einen neuen Supersportwagen kauft, würde daher auch einen größeren Teil der Steuerlast tragen als ein Kindergärtner, wodurch die Steuerprogression laut Werner automatisch in seiner Konsumsteuer eingebaut wäre.
Die Realität sieht aber anders aus. Denn wer hat denn vor allem hohe Konsumausgaben verbunden mit einem geringen Einkommen? Die alleinerziehende Mutter mit drei Kindern beispielsweise. Bei den meisten Menschen äußert sich Konsum nun mal hauptsächlich in der Nahrungsaufnahme und diese wird zwar mit steigendem Einkommen in manchen Fällen exquisiter, steigt aber in der Menge nicht unbedingt.
Dieselbe Steuerlast wie heute zahlt allenfalls der Millionär, der sich monatlich genügend neue Luxusuhren kauft. Und wollen wir als Gesellschaft darauf angewiesen sein, dass unsere Oberschicht immerzu ausreichend Luxusartikel konsumiert, damit wir einen flüssigen Staatshaushalt haben können?
Das ist also der entscheidende Nachteil der Konsumsteuer gegenüber der Einkommensteuer: Eine geregelte Steuerprogression.
Kein Zufall ist es demnach, dass die meisten Grundeinkommensmodelle eine negative Einkommensteuer zur Grundlage haben: Es wird sich auf einen monatlichen Grundeinkommensbetrag geeinigt, der anschließend als Steuerfreibetrag festgelegt würde. Liegt die Steuerschuld über diesem Betrag, so würde der Rest eingezogen, liegt sie darunter, bekäme man so viel ausgezahlt, bis der Grundeinkommensbetrag erreicht ist.
Dazu eine Beispielrechnung:
Angenommen, wir hätten uns auf ein monatliches Grundeinkommen von 1000€ verständigt. Ich müsste allerdings nur 200€ an Einkommensteuer zahlen. So würden mir 800€ ausgezahlt werden. Daher auch der Name der „negativen Einkommensteuer“ – um zu zeigen, dass die Steuer sowohl als Abgabe wie auch als Auszahlung auftreten kann.
Ein Modell auf dieser Grundlage wäre innerhalb unseres heutigen Sozialstaates am leichtesten einzuführen.
Aber zurück zu unserer paradiesischen Zukunft, in der wir von Maschinen durchgefüttert und nur noch 20 Stunden die Woche arbeiten würden. Philosoph Richard David Precht merkt an, dass solch eine Gesellschaft nicht mehr auf die Einkommenssteuer angewiesen sein könne. Denn Arbeit, die versteuert werden würde, gäbe es dann kaum noch. Und das unabhängig davon, ob wir ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt hätten oder nicht.
Deshalb schlägt Precht eine Mikrosteuer vor zur Finanzierung des Staatshaushaltes und eines Grundeinkommens, das zwangsläufig kommen wird, wie er sagt. So eine Mikrosteuer würde auf jede Finanztransaktion fällig, also jedes mal dann, wenn Geld bewegt werden würde. Der Prozentsatz für solch eine Steuer könnte erstaunlich niedrig gewählt werden, da erstmals auch Finanztransaktionen am Finanzmarkt versteuert werden würden, was heutzutage nicht der Fall ist.
Die Forderung nach so einer Steuer ist im Übrigen nicht neu und kommt ursprünglich nicht aus dem Lager von Grundeinkommensbefürworter:innen. Dass der Derivatehandel – die Spekulation auf Börsenkurse -, das Volumen des globalen Bruttoinlandprodukts um ein Vielfaches übertrifft und bisher unangetastet geblieben ist, sorgt bei vielen für Verwunderung und nur ein Bruchteil dieser Gelder würde uns enorme Möglichkeiten bereiten. Die Einführung eines Grundeinkommens eingeschlossen.
Dazu kommt, dass unser umlagefinanzierter Sozialstaat aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft nicht ewig halten wird. Früher oder später muss ein neues Sozialsystem kommen. Vielleicht wird unsere Gesellschaft ja eines Tages so aussehen: Maschinen werden einen Großteil unserer Arbeit abgenommen haben. Diejenigen, die die Gewinne der Maschinenarbeit einstreichen, würden gleichzeitig den Großteil eines Grundeinkommens stemmen. Und davon könnte wiederum der Rest die maschinellen Erzeugnisse bezahlen. Das wäre zumindest im Hinblick auf die Arbeitswelt eine schöne und optimistische Perspektive!