Wer bezahlt unsere Zukunft?

von Friederike Teller

Faire Preise und Steuern als Lösungsversuche in der Klimakrise

Irgendwann bezahlst man für alles im Leben, lautet ein Sprichwort. Meistens bezahlen wir sogar sofort. Mehrfach täglich begleichen wir wirre Beträge mit Geldscheinen und Münzen. Es ist merkwürdig, aber ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass alles seinen Preis hat, dass ich misstrauisch werde, wenn es einmal anders ist. Kostenloses Essen in einer Bar? Moment – die wollen bestimmt nur, dass man dadurch durstig wird und mehr teure Getränke trinkt. Kostenloser Eintritt? Das ist bestimmt nur so eine billige Marketing-Aktion. Jemand lächelt nett? Moment, da stimmt doch was nicht.

Völlig fiktive Zahlen regieren unser Leben. Aber schon ein buntes Blatt Papier, Geldschein genannt, kann genug sein, um auf wundersame Weise diese Summen zum Verstummen zu bringen. Nur war das dann global betrachtet meistens nicht einmal die halbe Miete. Luft, Wasser und Lebensqualität haben nämlich noch kein Preisschild.

Ärger im Imperium 

Wie ein Mantra haben wir in der Schule das Prinzip von Angebot und Nachfrage gelernt. Steigt die Nachfrage bei gleichem Angebot, steigt der Preis. Sinkt die Nachfrage dann wieder, so sinkt der Preis. Weniger gelernt haben wir über unsere sogenannte imperiale Lebensweise. Das bedeutet, dass die Grundlage unserer Lebensweise in der radikalen Ausbeutung anderer Länder, der Erde und weniger privilegierten Menschen besteht. Denn den Preis, den wir für etwas bezahlen, hat meistens herzlich wenig mit den eigentlichen Kosten zu tun. Marktversagen, nennen das Volkswirt*innen. Schließlich schafft es die Wirtschaft nicht, die wahren Kosten des Verbrauchs zu decken.


Ökologische Kosten, wie die Verschmutzung und Zerstörung der Natur in den Produktionsstätten oder die Schäden durch das ausgestoßene CO2 oder Gase des Transports sind nicht im Preis inbegriffen. Ebenso wenig die sozialen Kosten, wie die Absicherung der Arbeitenden oder deren Gesundheit und Sicherheit. Diese Kosten nennen sich deshalb externalisierte Kosten – sie werden nicht mit dem Kauf beglichen. Auch Unternehmen kümmern sich meist nicht um diese Kosten und häufen so trotz finanziellen Gewinnen quasi Schulden an der Menschheit an. Meistens ist es der Staat, der mit Sozialsystemen und Umweltschutuzmaßnahmen versucht, die Schäden einzudämmen. Doch unter den Folgen leiden längst alle Menschen, die nicht zufällig Chef*innen oder CEOs der Unternehmen sind, welche sie verursachen.

Das Problem ist kein unscheinbares Fleckchen Dreck an einer dunklen Straßenecke des Kapitalismus. Das Problem ist gigantisch und sprengt alle Schaufenster. Es äußert sich in einstürzenden Fabriken, unfruchtbaren Böden, in Tsunamis und durch Plastikflaschen im Meer – zum Beispiel. Oder durch kranke Arbeitende, durch Kinderarbeit und in Lebenswirklichkeiten unter dem Existenzminimum. Vor 100 Jahren prägte Arthur Cecil Pigou bereits den Begriff des externen Effekts – also die unkompensierten Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf Unbeteiligte. Wir können also nur schlecht argumentieren, dass wir das nicht wussten. Wir wissen es, ein bisschen ist es uns auch unangenehm, aber wir leben diese Widersprüchlichkeit schon so lange, dass wir uns daran gewöhnt haben. Die aktuelle Klimakrise ist eine Folge dieser Effekte. Sie stellt nun viele neue Rechnungen aus und löst damit vor allem Überforderung aus.

Die Reaktion darauf kann aber so unübersehbar und klar sein wie die Demonstrationen auf der Straße: Wir müssen diese Kosten begleichen. Am einfachsten wäre es, sie ebenfalls zu berechnen und in den Preis des Produktes einzurechnen. Dadurch würden nicht nur faire Arbeitsbedingungen geschaffen und CO2 Ausstöße vermindert, sondern auch den Konsumierenden die Entscheidung erleichtert.

Denn wir könnten im Einkaufsmarkt wirklich auf den Preis achten. Wir wüssten, dass viele wichtige Faktoren in diesen bereits eingerechnet sind, wir würden fair konsumieren. Bei Fairtrade Bananen zum Beispiel betragen die externalisierten Kosten nur die Hälfte, im Vergleich zu konventionellen Bananen. So wäre das beste Produkt für Mensch und Natur nicht mehr länger das Teuerste im Regal oder im Siegelwald versteckt. Wie schön könnte einkaufen sein!

Und wie großartig würde es sein, nicht mehr Einkaufen zu müssen, sondern zu reparieren. Denn ein ganz neuer Arbeitsmarkt könnte rund um das Reparieren und Recyceln entstehen. Schließlich würde es nicht mehr billiger sein, Handys oder Toaster wegzuschmeißen, sollten sie einmal kaputt gehen. Es würde Fachkräfte geben, welche diese reparieren könnten. Der Wachstumsimperativ würde langsam müde werden. 

Aber wer soll sich das denn leisten können?

Reichen Menschen würde es weiterhin natürlich leichter fallen den tatsächlichen Preis für Mangos aus Peru zu bezahlen. Aber sie wären dann auch für sie echter Luxus. Ein Luxus, der nicht auf Kosten der Zukunft, des globalen Südens und der Menschheit geschieht. Denn wer nach sozialer Gerechtigkeit fragt, wird schnell bemerken, dass wir einfach nur gelernt haben, Ungerechtigkeiten outzusourcen – die Bäuer*innen in Peru und ihrer Familien interessierten uns bislang wenig. Klimakrise und soziale Gerechtigkeit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen zusammengedacht werden. Echte Preise, ohne externalisierte Kosten, würden ein neues Konsumzeitalter einleiten. Wir müssten nicht länger betrügen, indem wir Kosten verheimlichen. Es gibt außerdem Konzepte, die eine (Teil-) Ausschüttung der Steuern an die Bürger*innen und an besonders betroffene Unternehmen vorsehen. So würden bewusste Konsument*innen von der Steuer profitieren und Unternehmen zu neuen Innovationen ermutigt.

Das klingt alles viel zu logisch, als dass es ungehört bleiben darf. Deshalb lautet eine Forderungen von Fridays for Future, auch in Deutschland eine CO2 Steuer einzuführen. Denn der CO2 Ausstoß, den Produkte verursachen ist ein sehr gutes Beispiel für entstehende Kosten, die niemand bezahlt. 180 Euro pro Tonne CO2 wären, laut Berechnungen des Umweltbundesamtes, die Kosten, die dieser Ausstoß für kommende Generationen und unseren Planeten verursacht. Diesen Preis müssten die verursachenden Unternehmen zahlen. Vermutlich würden diese den Preis an die Verbrauchenden weitergeben. Fliegen und Autofahren, ebenso wie Fleisch und andere Lebensmittel, würden teurer werden. Ihr Konsum und ihre Herstellung würden sich reduzieren und Alternativen würden sichtbarer und attraktiver werden

In Schweden gibt es diese Regelung bereits seit 1991. Die CO2 Steuer beträgt dort 110 Euro pro erzeugte Tonne CO2. Seitdem hat sich der CO2 Ausstoß um 14% reduziert, die Wirtschaft ist übrigens trotzdem weitergewachsen. Schweden erreicht im Vergleich zu Deutschland seine Klimaziele.

In zwanzig anderen Staaten gibt es ebenfalls eine vergleichbare Abgabe. Auch das von Bundesumweltministerin Svenja Schulze Ende 2018 vorgelegte Klimagesetz sieht eine solche Steuer vor, allerdings sind dabei deutlich kleinere Zahlen um die 20 Euro pro Tonne im Gespräch. Die Grünen fordern in ihrem Parteiprogramm für die Europawahl ebenfalls eine solche Steuer und auch der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten Frans Timmermans. Widerstand regt sich dagegen in der CSU und Teilen der CDU, welche an der Umsetzbarkeit zweifeln und die zusätzliche Belastung der Bürger*innen betonen.

Was ist Wirtschaft?

Momentan werden Preise von den Unternehmen festgelegt. Dabei orientieren sie sich an Marktanalysen, berechnen Angebot und Nachfrage. Sie verfolgen Gewinne und Wachstum als Ziel und als einzige Möglichkeit zu überleben. Das macht nicht nur kurzsichtig, sondern sogar blind für mögliche Innovationen. Und auch für die Frage was dieses Geld, denn eigentlich ist? Denn wie ein Fisch, der nicht fragt, was Wasser ist, sind wir es gewöhnt unser Leben durch Bezahlvorgänge zu regeln. Was und womit wir da eigentlich bezahlen – das hinterfragen Ökonom*innen, Bürger*innen, wie Unternehmer*innen eher selten.

Doch es gibt viel Wissen rund um externalisierte Kosten und mögliche Besteuerungen. Initiativen, wie True Cost beschäftigen sich mit neuen Kriterien und Berechnungen für faire Preise. Auch die Gemeinwohlbilanz verfolg ähnliche Ansätze. Durch Plattformen wie atmosfair hat man schon jetzt die Möglichkeit externalisierten Kosten des CO2 Ausstoßes des Fliegens zu kompensieren. Das CO2 geht davon natürlich trotzdem nicht weg, aber von dem Geld werden UN-zertifizierte Klimaschutz- und Entwicklungsprojekte unterstützt. Und wir lernen die Konsequezen unseres Handels neu zu denken. Billig und ständig zu Fliegen, ist kein Menschenrecht.

Wenn wir im Sinne des True Cost Accounting, eine ehrliche Kostenabrechnung machen würden, könnten so auch noch einige andere Utopien Wirklichkeit werden. Mehr Begegnungsräume und mehr (konsum)freie Zeit, Teilen und Tauschen als neues gemeinschaftliches Wirtschaften, lokale biologische Produkte, saubere Luft und mehr Natur in den Städten. Die Möglichkeiten für Visionen sind grenzen- und sogar kostenlos.

  1. Barnim

    Guter Artikel!
    Aber wie Du selbst schon schreibst, hat sich z.B. ein Herr Pigou schon vor über 100 Jahren mit diesem Problem beschäftigt. Und in dieser Zeit wurden ja auch Lösungen gefunden und eingeführt (ganz ohne Greta). Diese sind auch schon jahrelang in Kraft, z.B. die CO2-Zertifikate, über die Du nix geschrieben hast.

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