Was steckt hinter den Skandalen von Armin Laschet?

Beitragsbild: © Nora Boiko

Armin Laschet will Kanzler werden. Als CDU-Chef und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen scheint er der perfekte Kandidat zu sein. Doch kurz vor der Bundestagswahl verzeichnet die CDU rekordverdächtige Einbrüche in den Umfragen. Ein Blick auf Laschets Vergangenheit.


Nach dem Ende der Ära Merkel herrscht ein Triell um ihre Nachfolge: Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN) und Olaf Scholz (SPD) wollen Kanzler:in werden. Politiker:innen stehen heute mehr denn je in der Öffentlichkeit, diskutieren in Talkshows, twittern, positionieren sich und weisen ihr Geschwätz von gestern oft in trumpistischer Manier zurück. Das sai-magazin schaut genauer auf die Kritik an den Kandidat:innen, auf ihre Handlungen. Wir analysieren in diesem Dreiteiler die Skandale der Vergangenheit. Was wird Baerbock, Laschet und Scholz vorgeworfen – und was steckt hinter den Vorwürfen?


Armin Laschet ist schon etwas länger im CDU-Game. Mit 18 Jahren (das war 1979) tritt er in die Christliche Demokratische Union Deutschlands ein, sitzt von 1999 bis 2005 im Europäischen Parlament und übernimmt anschließend bis 2010 die Leitung des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. 2017 wird Armin Laschet zum Ministerpräsidenten von NRW gewählt und ist seit Januar diesen Jahres Bundesvorsitzender der CDU.

In all diesen Jahren hat sich bei Armin Laschet einiges angesammelt, das man am 26. September im Hinterkopf haben sollte. Vor allem seine jüngsten Fehltritte im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen sowie der Situation in Afghanistan haben für Aufregung gesorgt. Vier Wochen vor der Bundestagswahl wird die CDU in den Umfragen von der SPD überholt.

Würfel-Armin an der Hochschule Aachen

Von 1999 bis 2015 lehrte Armin Laschet ehrenamtlich als externer Dozent an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Politikwissenschaft. Wusstest du nicht? Steht auch nicht in seinem Lebenslauf – und zwar nicht ohne Grund.

Im Sommer 2014 leitet Dozent Laschet ein Seminar für Europastudien. Als Europaabgeordneter ermöglicht er den Studierenden exklusive Einblicke in Brüssels Politik. Am Ende des Kurses muss er ihr Wissen prüfen, doch in diesem Sommersemester läuft bei der Bearbeitung der Klausuren etwas schief. Wenn man unserem CDU-Kanzlerkandidaten glauben möchte, dann gingen die Klausuren samt Noten auf dem Postweg verloren. So teilt er es zumindest seinen Studierenden ein Jahr später mit. Ärgerlich, aber kann passieren. Laschet meldet den Vorfall jedoch nicht der Hochschule. Trotz verschollener Klausuren erhalten 35 Studis eine Note für ihre Leistung. Blöd, dass nur 28 von ihnen die Klausur mitgeschrieben hatten.

Die Notenaffäre empörte die Öffentlichkeit, Laschets akademische und politische Glaubwürdigkeit litten unter seinen Schummeleien. Ein Staatsanwalt wurde eingeschaltet, die Noten wurden annulliert. Auf seinen Lehrauftrag verzichtet er nach eigenen Angaben ganz freiwillig, um sich mehr auf seine Parteiarbeit zu konzentrieren.

Nur eine:r kann Kanzler:in werden. © Nora Boiko

Laschets Sohn vermittelt Masken an Armin

Ein Vorwurf der SPD lautet, Laschet habe im Zuge einer Maskenbestellung der NRW-Landesregierung Vetternwirtschaft betrieben. Die Sozialdemokrat:innen im NRW-Landtag fordern mehr Details und Transparenz zu den Bestellungen. „Es muss ausgeschlossen werden, dass hier persönliche Beziehungen eine Rolle gespielt haben“, so der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Stefan Zimkeit.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht die Rolle von Laschets Sohn, Johannes „Joe“ Laschet. Der Modeblogger hatte seinem Vater zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 den Kontakt zum Textilunternehmens Van Laack vermittelt. Das Problem: Joe macht auch auf Instagram Werbung für die Firma und ist seit 2018 Botschafter der Van Laack Kollektionen. Nach der Vermittlung durch Joe bestellt die Landesregierung von Papa Armin Masken, Schutzkleidung und Impfbedarf im Wert von 30 Millionen Euro.  Die Forderung der SPD bezeichnet Armin Laschet in seiner Stellungnahme sichtlich gereizt als „schäbig und unanständig“. Sein Beitrag zur Maskenaffäre der CDU/CSU ist nur ein weiterer Tropfen im Fass der Korruptionsvorwürfe gegen die Union. Einige Bundestagsabgeordnete der Union mussten in dieser Zeit ihre Ämter räumen. Laschet blieb Kanzlerkandidat.

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Hambacher Forst: Lügen und Polizeigewalt

Der Hambacher Forst ist das Überbleibsel des Hambacher Waldes, der in den 70er-Jahren eine Fläche von rund 4100 Hektar voll geschützter Tier- und Baumarten umfasste. Seitdem der Energiekonzern RWE 1978 mit dem Braunkohleabbau begann, hat sich die Waldfläche zwischen Aachen und Köln enorm verkleinert. Im Jahr 2018 waren von den 4100 Hektar Waldfläche nur noch 200 Hektar übrig.
Proteste gegen den Braunkohleabbau und die Zerstörung des Waldes gibt es seit jeher. Schon 1977 gründete sich die Hambach-Gruppe, 2004 wurde Greenpeace laut, 2009 ging der Bund für Naturschutz und Umwelt Deutschland gegen RWE vor Gericht. Seit 2012 besetzen Aktivist:innen den Wald und fordern den Kohleausstieg.

Der Abbau von Braunkohle ist ein enormer Eingriff in Natur und Umwelt, besonders die Verstromung gilt als besonders klimaschädlich – daher erscheint es vorbildlich, als Armin Laschet Anfang des Jahres twittert, dass NRW beim Ausstieg aus der Braunkohle vorangehe, den Hambacher Forst rette und Spitzenreiter der deutschen Klimapolitik sei. Leider stimmt das aber nicht. Weder ist NRW im Bundesvergleich Spitzenreiter, noch wird sich für die Rettung des Waldes eingesetzt.

Knapp einen Monat nach seinem vielversprechenden Tweet beschließt die NRW-Landesregierung unter Armin Laschet in einer neuen Leitentscheidung, dass die Braunkohle-Förderung weiter fortgesetzt werden darf. RWE freut sich. Besonders Laschets Zusage, den Hambacher Forst zu retten, dürfte bei Einigen einen bitteren Beigeschmack auslösen, nachdem er den gewaltsamen Polizeieinsatz im September 2018 gegen Aktivist:innen im Hambacher Forst verteidigt hatte. In einem Statement befürwortet er besagten Räumungseinsatz, da „rechtswidrige Zustände nicht geduldet werden“ und man „einen guten, sicheren Zustand“ herstellen wolle. Das Protestcamp, in dem jahrelang Aktivist:innen in Baumhäusern wohnten, bezeichnet Laschet als „illegal besetzte Gebiete“. Zur Rechtfertigung der Räumung wurde ebenfalls mehrfach von „Gefahr im Verzug für Leib und Leben der Baumhausbewohner aus Brandschutzgründen“ gesprochen.

Später kursiert ein Video von Armin Laschet im Internet, in dem er zugibt, dass der fehlende Brandschutz lediglich ein Vorwand war, um die Räumung des Camps voranzutreiben. „Ich brauche auch einen Vorwand, sonst kann man doch nicht tätig werden. Ich wollt‘ den Wald räumen“, so Laschet in einer von Aktivist:innen heimlich aufgenommenen Filmsequenz. Er beklagt sich später über die illegale Aufnahme; er habe das Wort „Vorwand“ benutzt, „ohne sich den Begriff zu eigen zu machen“. Im September 2021 bestätigt das Verwaltungsgericht Köln: die gewaltsame Räumung des Hambi war rechtswidrig und die Brandschutz-Bestimmungen ein Vorwand, um die Aktivist:innen aus dem Wald zu entfernen.

Der WDR, dem das Video zugespielt wurde, geriet übrigens ebenfalls in Erklärungsnot: der Sender hatte einen Hörfunk-Beitrag über Laschets Aussage online gestellt, ihn aber kurz darauf wegen angeblicher journalistischer Mängel und aus rechtlichen Gründen wieder gelöscht. Den Verdacht, Laschets Staatskanzlei hätte etwas mit der Entfernung des Beitrags zu tun, wies der WDR jedoch zurück.

Laschet zitiert schlecht in seinem Buch

Im Wahlkampf muss sich nicht nur Annalena Baerbock gegen Plagiatsvorwürfe verantworten. Auch Armin Laschet hat in seinem Buch „Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance“ (2009) aus vorherigen Veröffentlichungen abgeschrieben, ohne die Autor:innen zu zitieren. Im Juli hatte ein Autor nach Hinweisen eines Plagiatsjägers Parallelen zwischen seinem und Laschets Buch auf Twitter veröffentlicht. Armin Laschet entschuldigte sich und veranlasste eine Prüfung seines Buches auf weitere Fehler. Der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber entlastete Laschet daraufhin vorerst auf seiner Website: für ernsthafte Plagiatsvorwürfe seien die Beweise zu geringfügig.

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Drei Tage später verschärft sich die Lage jedoch, als ein Leserhinweis bei Weber eine erneute Prüfung veranlasste. Dabei stellte sich heraus, dass Laschet mutmaßlich eine halbe Seite vom Münchner Politologen und Ex-CSU-Kultusminister Hans Maier abgeschrieben haben soll. Ein Sprecher Laschets verwies nach den neuen Vorwürfen lediglich auf die erste Entschuldigung des CDU-Kanzlerkandidaten, in der er zugegeben hatte, dass mindestens ein Autor in seinem Buch nicht korrekt zitiert wurde.

Kanzler Laschet: Ein Szenario

Eins muss man dem selbst ernannten „Mann der Mitte“ lassen: politische Fehltritte scheinen ihm nicht groß etwas auszumachen. Armin Laschet betreibt mit seinen widersprüchlichen Aussagen lieber Politik à la Langstrumpf und macht sich die Welt, widdewidde wie sie ihm gefällt. Authentische Entschuldigungen und Fehler eingestehen gehören dabei nicht zu seinem selbstgerechten Auftreten. Selbst nach seinem Lacher im Flutkatastrophengebiet entschuldigt sich Laschet via Twitter lediglich für den entstandenen Eindruck, nicht für sein Verhalten. Ein Kanzler Laschet bringt Selbstgerechtigkeit, Unglaubwürdigkeit und Unzuverlässigkeit mit ins Amt, ganz unter dem Motto: Polemik statt Politik.

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