Text: Karla Kabot I Fotografie: Friederike Schick & Karla Kabot
Weltenabblätterung
Meine Welt blättert ab.
Mit jedem Morgen ein Stück mehr.
Ich versuchte zunächst, Ruhe zu bewahren. Nicht zu denken, einfach weiterzumachen.
Umdrehen aufstehen einsteigen aussteigen einstehen [damit] umgehen heimgehen hochstellen fallen umdrehen.
Ich drückte die Sorge über meine Weltenablätterung dorthin, wo ich nie hinschauen würde, weil es zu offensichtlich wäre. Das klappte ganz gut.
Doch ich hatte immer mehr Angst, dass jemand [etwas] bemerken würde. Die Risse wurden größer. Mein Versteck war mir nun nicht sicher genug.
So versteckte ich mich selbst und hoffte so, [dem] Gefundenwerden, zu entgehen. Ich lebte ganz mit|in einem Rest an Welt und auch das klappte ganz gut. Ich hatte oft das Bedürfnis zu erfahren, ob andere Welten auch gerade Risse bekamen, doch dann hätte ich [es] ja verraten.
Ich erwachte eines morgens und meine Welt war abgeblättert.
Da war nichts mehr. Die Farben waren erst verwischt, dann erblasst, bis Leere mir in beige entgegenstarrte.
Vor lauter Schreck vergaß ich, mich umzudrehen und einzustehen. Ich stolperte, weil ich den Blick von dem leeren bunten Fleck an Welt nicht lösen konnte.
Ich war ratlos und zugleich beängstigend befreit, meine eigene kleine Welt einmal los zu sein.